32 schottische Hymnen (Sacred Songs), Melodien Nr. 22-32

Lachlan MacBean: The Songs and Hymns of the Scottish Highlands, 1888
Lachlan MacBean: The Songs and Hymns of the Scottish Highlands, 1888

A: Sacred Songs
3. schottische Hymnen Nr. 22-32


22. Urnuigh An Fheumnaich - The Needy's Prayer

Diese kurze Melodie ist in der Liedersammlung vierstimmig gesetzt (siehe hier: The Needy's Prayer, vierstimmig). Nachfolgend ein für Blockflöte transponierter Auszug der 1. Stimme (Sopran).

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"Hymn written for this collection. Harmony by W. S. Roddie."


23. Miann An Anam - The Soul's Desire

Dorisch oder mixolydisch, das ist hier (erneut) die Frage. Wieder ist ein entscheidender Ton der Skala weggelassen worden. Der Notist von 1888 hat sich offenbar für den dorischen Modus entschieden, denn er verzichtet in der Notation auf eine Vorzeichnung, bedient sich also der sogenannten Stammtöne (d. h. die Töne aus C-Dur/a-moll), und lässt das Stück auf d als Finalis enden.

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"Gaelic words from a hymn by Mrs Clark of Torra-dhamh, Badenoch. Tune noted down for this collection."

Weil aber die dritte Stufe der dorischen Skala in der Melodie nicht vorkommt, könnten wir alle Noten um eine reine Quarte nach oben versetzen, ohne das Intervallgefüge zu zerstören und ohne Versetzungszeichen zu benötigen. Dann würden in der Notation weiterhin nur Stammtöne erscheinen, die Melodie aber würde nun auf der Note g enden - also auf der Finalis des mixolydischen Modus.

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Welche modale Tonleiter der Komposition auch immer zugrunde lag, uns fällt es heutzutage schwer, den letzten Ton als Abschluss der Melodie zu begreifen (mehrmaliges Hören oder 'Flöten' hilft allerdings).


24. Leanabh An Aigh - Child In The Manger (Morning has broken)

Und nun folgt das prominenteste Gegenbeispiel in Dur zur voranstehenden modalen Komposition: Der Hymnus "Child In The Manger", der im Jahr 1888 in der hier präsentierten Liedersammlung schottischer Hymnen und Songs erstmals im Druck erschien - und ein Jahrhundert später vom Singer & Songwriter Cat Stevens unter dem Titel "Morning has broken" weltberühmt gemacht wurde.

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"Gaelic words from the hymn by Mrs M. MacDonald, Mull (Mairi Dhugballach, bean Neill Dhomhnullaich ann an Ard Tunna)."


25. Aonachd Ri Criosd - Union with Christ

Ob der Taktartwechsel im folgenden Hymnus bewusst gesetzt oder doch nur großzügig hingenommen wurde, lässt sich nicht entscheiden. Bei allen 64 Melodien der Liedersammlung von 1888 (und auch der 2. Auflage von 1900, die dann allerdings um einen dritten Teil "Gaelic Psalmody" nun mit Taktartangaben erweitert wurde) wird auf Taktartangaben grundsätzlich verzichtet. Keiner der 64 'Scottish Tunes' weist einen Taktartwechsel auf - bis auf die folgende Melodie:

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"From hymn by Dr. Maggregor."

Der Wechsel von 6/4- zu 3/4-Takt hätte vermieden werden können durch Aufteilung der 6/4-Takte in je zwei 3/4-Takte. Das hätte eine (leichte) Veränderung der Akzentuierung verursacht - und: Aus dem Notenbild wäre nicht mehr direkt ersichtlich, dass der Melodie eine gewisse Unsymmetrie innewohnt.


26. Am Meangan - The Branch

Untypisch für alte schottische Melodien ist der Gebrauch des Leittons, wie wir bereits an mehreren Beispielen sehen konnten. Nun folgt eine Ausnahme - und dies gleich zweifach: Zunächst ist das Lied in F-Dur komponiert und der zugehörige Leitton e führt zu Beginn und auch am Schluss zum Grundton F. In den Mitteltakten wird zudem ein zweiter Leitton eingeführt. Der Ton b in F-Dur wird mehrmals durch ein Auflösungszeichen (♮) zum Ton h erhöht und dient dann als Leitton nach C-Dur (also zur Dominante von F-Dur, die dadurch kurz tonikale Bedeutung erhält).

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"Words from a beautiful hymn by Mrs Cameron, Rannoch."


27. La Bhreitheanais - The Day Of Judgement

In den hier vorgestellten 64 Songs aus Lachlan MacBeans Liedersammlung "The Songs and Hymns of the Scottish Highlands" werden nur ein einziges Mal Triolen genutzt - und zwar am "Tag des (jüngsten) Gerichts", also in folgendem Lied:

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"From hymn by Rev. P. Grant."

"The Day Of Judgement" präsentiert sich in klarem Dorisch, alle Töne der dorischen Tonleiter werden genutzt, das Lied findet seinen auch heute noch überzeugenden Abschluss in der Finalis d.


28. Gairdeachas - Joy

Wie bereits erwähnt, tauchen zufällige Versetzungszeichen, sogenannte Akzidentien, selten in alten schottischen bzw. gälischen Liedern auf. Zufällig oder unwesentlich werden sie genannt, weil sie nur kurzzeitig im Verlauf eines Stückes auftreten und dann höchstens für den Takt gelten, in dem sie stehen (im Gegensatz zu der allgemeinen Vorzeichnung zu Beginn jeder Notenzeile). Wenn sie doch einmal in den schottischen 'Tunes' genutzt werden, dann meistens als Leitton zur Dominante der eigentlich vorherrschenden Tonart.

Das folgende Beispiel ist anders. Das bereits im ersten Takt stehende und in weiteren zu findende Be (♭) zur Erniedrigung des Tones h zu b macht den Ton b nicht zum Leitton - höchstens zu einem 'Gleitton' mit einer Strebewirkung nach unten (im Gegensatz zum Leitton, der aufwärts strebt). Der Ton b strebt hier also per Halbtonschritt abwärts zum Grundton bzw. zur Finalis a. Das bedeutet, dass ein Halbtonschritt zwischen 1. und 2. Stufe der zu Beginn des Stückes verwendeten Kirchentonart steht - und das ist das Charakteristikum für den phrygischen Modus. Sobald dann das akzidentielle Versetzungszeichen nicht mehr gebraucht wird, geht das Lied in den äolischen Modus über.

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"Gaelic words by Rev. P. Grant. The melody is that used in Grant's own district, Strathspey."

Übrigens: Die phrygische Tonart und damit ein Gleitton wird in traditioneller gälisch-schottischer Musik noch seltener verwendet als der Leitton. Wenn wir nichts überhört haben, kommt dies in den hier vorgestellten 64 'Gaelic Tunes' kein weiteres Mal vor.


29. An Fhois Shiorruidh - The Rest Eternal

Für alle Blockflöten-Spieler/innen gilt auch beim folgenden Stück wieder: Keine Angst vor dem Vorzeichen, die Note fis kommt in der Komposition überhaut nicht vor (ebenso wie z. B. in Lied Nr. 21).

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"Gaelic words from the hymn by Rev. P. Grant."


30. An Cath - The Conflict

Eine für uns 'konfliktlose' Melodie in klarem B-Dur - auch wenn wieder der Leittoneffekt, nämlich der Halbtonschritt vom Leitton a zum Grundton b, vermieden wird.

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"Gaelic words from the hymn by John Morrison (Ian Moirison a bha auns na Hearadh)."


31. Smeideadh Oirnn - Beckoning

Klar und deutlich winkt uns in dem kurzen Hymnus "Beckoning" unser Tongeschlecht Moll zu - hier d-moll. Mit der fast kompletten Molltonleiter geht es abwärtslaufend in den Schlusston d, also in die Tonika oder den Grundton von d-moll.

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"Children's Hymn. Gaelic words by M. Macfarlane."


32. Na Sleibhtean - The Mountains

Trotz identischer Vorzeichnung mit der im vorstehenden Lied hören wir im folgenden kein d-moll - und auch kein F-Dur, für das die Vorzeichnung mit einem Be (♭) auch stehen könnte. Die Melodie schließt weder auf d noch auf f. Der Schwerpunkt liegt auf dem Ton g, mit dem die Komposition auch endet, ebenso wie die ersten vier Takte des Stückes, die zweimal gespielt werden (was unser Abspielprogramm dooferweise nicht machen will).

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"This beautiful melody belongs to one of Rob Donn's elegies. The words are by Lachlan MacBean."

Würden wir den Hymnus nach C-Dur/a-moll transponieren, um die Vorzeichnung zu tilgen, würde er mit der Finalis d abschließen. Die Melodie präsentiert uns daher den dorischen Modus. Durch das Transponieren dränge die Notation allerdings in Höhen vor, die kaum eine Blockflöte zuvor gesehen hat :–)

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